U2, Lanxess Arena, 2015

Konzert: U2

Ort: Köln - Lanxess Arena

Datum: 17.-18.10.2015

Dauer: ca. 140 Min.

Zuschauer: 2 x ca. 17.500 ausverkauft

Konzertbericht

Zu den Beweggründen heute noch ein U2 Konzert zu besuchen, habe ich ja bereits in meinem ausführlichen Bericht über das Amsterdam Konzert Stellung bezogen. Mehrere Konzerte einer Tour zu besuchen, ist vielen Freunden von mir noch schwieriger zu vermitteln. Zum Glück werden mich die beiden Konzerte in Köln auch in Zukunft nicht davon abhalten.

U2 haben seit jeher die Gabe, im Laufe einer Tournee immer "besser" zu werden. Wo bei anderen Bands schnell Betriebsblindheit in anonymen Mehrzweckhallen aufkommt, wissen diese vier immer die Spannung zu halten. Der Luxus nicht jeden Abend und jedes Jahr um die Welt reisen zu müssen, ist sicherlich ein Grund. Am Wochenende schien es jedoch wirklich die Reaktion der Halle zu sein die den Abend unvergesslich machten. Zu rechnen war damit vorab jedenfalls nicht. 

Und so begann der erste Abend im Schmuddelwetter vor der Halle auch mit einem schlechten Witz. Der Innenraumzugang wurde ohne einen Hinweis auf den Tunnel am anderen Ende der Halle verlegt. Dazu hatte sich der Veranstalter wohl den internen Spass erlaubt, genau zwei Scanner für die erstmalig eingesetzten Handy-Tickets mitzubringen. Nach der Gängelung das alle gemeinsam den Einlass passieren müssen, (ein Scan galt für beide Tickets) ein weiterer Beweis für die Missachtung der zahlenden Gäste. Nach ca. 45 Minuten Wartezeit waren die dummen und schroffen Sprüche bei den teilweisen Fehlermeldungen schon nicht mehr lustig.

Hier zeigt sich wieder das die Besucher seit Jahren eine Lücke im Gesetz des Wiederverkaufsrechts ausbaden müssen, die sie nicht zu verantworten haben. Das der Scan von den Händlern vor der Halle trotzdem auf jedes andere Handy weiterkopiert werden konnte, geschenkt.

Das Konzert beginnt für Fans mit Standardkost. "The Electric Co." löst für mich das in Amsterdam grandiose "Gloria" ab. Ansonsten ist der erste Teil des Sets gesetzt. Im zweiten Teil hört man vor "Invisible" Takte von Kraftwerks Autobahn, danach gibt es auch Teile von "Burning down the house". Die Stimmung in der Halle wird immer besser, ich halte das aber noch für den "Samstag-Abend" Effekt. Viele sind in bester (Trink)-Laune und müssen heute mal nicht auf die Uhr schauen. 

Wäre der Sonntag nicht so herausragend gewesen: es war auch am Samstag ein starkes Set mit einem unheimlich kraftvollen "One" am Ende, so kraftvoll das man sich kaum vorstellen konnte diesen Song am nächsten Tag gar nicht zu hören.Daher waren die Erwartungen am Sonntag auch realistisch, die Stimmung vorab aber nicht so dringlich. Zwei Abende hintereinander sind immer eine Gratwanderung. Aber wie so häufig sollte sich dies alles als unbegründet erweisen. Gerade die Konzerte mit niedrigen Erwartungen erweisen sich oftmals als Klassiker. 

Bonos frühe Ansage, der tolle Abend gestern sei nur der Anfang einer noch besseren Show heute, klang noch wie ein übliches Standardkompliment, doch bereits mit "Out of control" und dem Ramones Snippet "Rock`n Roll Radio" liegt die Halle flach am Boden. 

Die ersten vier Songs knallen nur so aus den Boxen. Keine Show, oft nur 4 Spots und ein große Glühbirne lassen die Arena zu einem Club werden, fehlt nur noch Zigarettenqualm aus der Nebelmaschine. The Edge ist heute in besonders guter Laune: er rennt, springt und spielt dabei wie ein Berserker. Adams Bassläufe bei der reduzierten Version von "Sunday, bloody Sunday" direkt vor meinen Augen am Steg sind eine Augenweide. Alles macht irgendwie mehr Spass als gestern. 

U2 spielen auf der kleinen Bühne am anderen Ende der Halle und plötzlich erklingt "Party Girl" und Bono bekommt eine Sektflasche gereicht. Der Gast aus dem Publikum spielt mit, zunächst noch verhalten, Bono gibt die Runde aus und als alles zu einem guten Ende gekommen scheint, wird es noch spontaner. Zusammen mit Bono wird "Angel of Harlem" geboten (wohl ein Wunsch), sie schreitet mit Bono den ganzen Steg entlang und bringt den Song perfekt zu Ende. Damit scheint der Bann gebrochen. Bono gratuliert Bill Gates zum Geburtstag und steigert sich bei der Version von "Bullet the blue Sky" nochmals. Die geänderte Songzeile mit Selbstzweifeln "Can you see the fighter planes, when you fly in private planes?" wird zum wütenden Mantra (gegen sich selbst ?).

"Zooropa" mit seinen prophetischen, mehr als 20 Jahre alten Songzeilen passt perfekt zur Flüchtlingskrise: "And i have no compass, and i have no map, and i have no reasons, no reasons to get back", und dann folgen 30 Minuten die die Fans in Zukunft verehren werden, wie bisher die letzten Hallenkonzerte in Köln aus 2001. 

Bei "..Streets" scheint sich das Dach der Arena zu öffnen, die Leinwand strahlt in Rot wie ein Planet und das Gebrüll der Zuschauer lässt einen Erschaudern. Wie ein einziger Klangkörper verschmelzen hier Band und die Fans. Danach "Pride..", man hat diesen Song schon tausende Mal gehört, ich mag ihn nicht, aber so wird er zum Ereignis. Bis rüber in Block 716 schwappt die Euphorie wie aus einer Kehle.

Keiner würde eine weitere Steigerung für möglich halten, doch jetzt beginnen erst die Zugaben. Die Halle kocht weiter, Bono bittet einen weiteren Zuschauer auf die Bühne. Er singt ihn als sein jüngeres Ich an und der Text "Time, won`t leave me as I am. But time won`t take the boy out of this man" ist Sinnbild des Abends. Dann verschenkt Bono seine Brille, eine sehr ungewöhnliche Geste an einem ungewöhnlichen Abend.

Am Schluss bietet die Band den größtmöglichen Dank. "Bad" und "40" beenden den Abend. "Bad" in einer spontanen Gitarrenversion zu dessen Beginn die Halle so laut ist das einem die Ohren schmerzen. Bei "40" leuchtet Bono den anderen drei den Weg mit einem Spot über den Steg. Sie sind zu Hause.

Welche Band kann normalerweise auf ein solches Ende verzichten? Und wie viele Songs blieben auch heute wieder ungespielt? Und was wurde eigentlich aus Chris Martin?


Alle Fotos: Michael Graef

Dieser Artikel erschien zuerst im Konzerttagebuch (Mein Zuhause. Mein Blog). Das Konzerttagebuch umfasst ca. 4000 Live Konzert- und Festivalberichte.